Der 444. Meisterkurs an der 1. Bayerischen Fleischerschule in Landshut war ein ganz besonderer. Und nicht nur wegen der „Schnapszahl“. Er wurde wegen der Corona-Pandemie um drei Monate verschoben, fand unter besonderen Hygienebedingungen statt und erlebte nach zwölf Wochen ein Happy End.
29 Absolventen bestanden die Abschlussprüfung und durften ihren Meistertitel als erste seit einem Jahr wieder mit prominenten Gästen und ihren Familien feiern, wenn auch mit Sicherheitsabstand. Christian Läpple, Vizepräsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, lobte die 27 deutschen und zwei österreichischen Teilnehmer denn auch für ihren Einsatz, Ehrgeiz und ihre Disziplin: „Qualität setzt sich auf Dauer eben durch!“
Sicher zur Meisterprüfung in der 1. Bayerischen Fleischerschule in Landshut
Glücklich zeigte sich bei der Freisprechungsfeier im „Zeughaus“ der Förderer der Landshuter Hochzeit Barbara Zinkl. Die Geschäftsführerin der 1.BFS betonte vor ca. 80 Gästen, das in Absprache mit dem Gesundheitsamt entwickelte Hygienekonzept (mit „Social Distancing“, regelmäßigem Lüften, Desinfizieren von Werkzeugen und Maschinen, festen WG-Gruppen, Einzelplätzen in Lehrsälen, Corona-Tests u.v.m.) habe Präsenzunterricht möglich gemacht und Infektionen, Unterbrechungen oder Unterrichtsausfall verhindert.
Österreich auch mit dabei
Die Erfolgsgaranten des Kurses seien freilich die Teilnehmer gewesen. In mehr als 500 Unterrichtseinheiten mussten sie sich auch durch „trockene“ Themen von Buchführung und Lebensmittelhygiene bis zu Steuerrecht und Arbeitspädagogik in der Fachtheorie kämpfen. Der umfangreiche Lehrplan umfasste zudem im Praxisteil Themen von Zerlegen und Wurstproduktion bis zur Perfektionierung von Verkaufsgesprächen und Warenpräsentation. Zinkl: „Sie haben sich reingehängt und meisterliche Ergebnisse abgeliefert.“
In dem Kurs fanden junge und erfahrene Fleisch-Profis aus Handwerk, Industrie und Handel zusammen: 25 Fleischer und zwei Fleischerinnen aus Deutschland sowie ein Fleischhauer und eine Fleischhauerin aus Österreich kamen zum Lernen an die Isar.
Kurs-„Senior“ war Holger von Ende (48) aus Schnellroda, der jüngste Teilnehmer Nick Wirth (19) aus Spalt. Den längsten Anreiseweg hatte mit 812 km Steven Streu (28) aus Sanitz, den kürzesten mit 55 km Florian Bachhuber (28) aus Rottersdorf bei Landau/Isar.
Erfolgreich: Melanie Rinner von der Grazer Fleischerei Rinner
Aus Graz in der Steiermark war Melanie Rinner (24) dabei. Als Klassenbeste schloss sie den Meisterkurs ab. Davor hatte sie fünf Jahre lang die HLW Schrödinger besucht, die sie 2016 mit ausgezeichneter Matura abschloss. Danach stieg sie in den elterlichen Fleischereibetrieb in Graz ein und ist dort in allen Bereichen tätig. Vier Tage pro Woche arbeitet sie in der Produktion, zwei Tage im Verkauf.
Die Firma beschäftigt heute 43 Mitarbeiter, stellt alle Produkte selbst her und legt großen Wert auf Regionalität und Top-Qualität. Im April 2019 schloss Melanie Rinner bereits eine Weiterbildung zur Diplom-Fleischsommelière mit sehr gutem Erfolg ab.
Meister aus Oberösterreich: Julian Zellinger von der Fleischerei Zellinger
Die Farben Oberösterreichs vertrat Julian Zellinger (23) aus Steyr. Er hatte vor der Meisterschule die private HTL für Lebensmitteltechnologie in Hollabrunn besucht und ist im Betrieb seiner Familie tätig. Die G. Zellinger GmbH wurde 1943 gegründet und befindet sich mit ihm in der vierten Führungsgeneration. 2020 schloss man sich mit der Firma Gourmetfein aus Michaelenbach zusammen.
Julian Zellinger arbeitet seit ca. zwei Jahren als Betriebsleiter und Qualitätsmanager; in das ca. 200 Mitarbeiter zählende Unternehmen kehrt er als Meister zurück und plant langfristig die Übernahme von seinem Vater.
Metzgerhandwerk verbindet High-Tech und Kreativität
Christian Läpple zitierte in seiner Festrede die alte Weisheit „Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein!“ Dies hätten sich die Meisterschüler zu Herzen genommen und viel in eine Top-Qualifikation investiert. Mit ihrer Weiterbildung in Fachbereichen von Biochemie bis zur Schlachttierbeurteilung seien sie nun wahre „Meister Ihres Fachs“.
Gerade das Metzgerhandwerk, dem es so oft an Wertschätzung fehle, brauche junge Leute, die ihren Beruf lieben und das auch nach außen tragen. Denn hier drehe sich seit Jahrhunderten alles um Qualität und Genuss. Verständnis für High-Tech-Geräte sei dabei heute ebenso gefragt wie Kreativität.
Metzger seien „Allrounder“ und stünden für echte Köstlichkeiten, individuelle Angebote statt Massenware, Regionalität und Herkunftsgarantie. Hier stehe der Kunde im Mittelpunkt. Mit dem Meistertitel, so Läpple, seien alle Türen für die berufliche Karriere weit geöffnet, Fachkräfte nicht nur in Ostbayern dringend gesucht.
Meisterlehre, Meisterstand und Meistertitel
Schul-Gesellschafterin Katrin Barth mahnte, dass wirtschaftliche Umbrüche, technische Fortschritte, aber auch die Veränderungen der Gewohnheiten der Konsumenten eine stete Weiterbildung von Fach- und Führungskräften notwendig machten. „Lebenslanges Lernen“ sei wichtig – und die Jungmeister genau auf dem richtigen Weg.
Mit einem großformatigen Kursfoto und einer Marmorplatte verewigte sich der Meisterkurs 444 in der „Hall of Fame“ der Schule. Die Kurssprecher Steven Streu und Melanie Rinner dankten dem Team der 1.BFS eindringlich für die einfühlsame Begleitung in diesem besonderen Lebensabschnitt.
Zum Abschluss des von den Landshuter Turmbläsern unter Leitung von Horst Kirch umrahmten Festakts sprach Christian Läpple die Absolventen frei vom Gesellenstand und verlieh ihnen „Meisterehre, Meisterstand und Meistertitel“. Jeder erhielt von der HWK neben dem Meisterbrief ein silbernes „Meister-M“ – nach 35 Jahren Meistertätigkeit kann die goldene Version folgen. Von der 1.BFS gab es das exklusive Landshuter Schuldiplom, das seit Gründung der Lehreinrichtung 1928 unverändert verliehen wird.